In der Anbetung Heimat erfahren

Heimat ist der Ort, zu dem wir gehören. In der Anbetung werden wir uns unserer Zugehörigkeit zu Gott bewusst, bringen sie zum Ausdruck und vertiefen sie.

 

"In Christus": Mit dieser kurzen Formel beschreibt der Apostel Paulus die Zugehörigkeit der Christen zu Christus. In der eucharistischen Anbetung geben wir dieser Zugehörigkeit Ausdruck und erfahren Heimat in ihm.

 

Heimat ist der Ort, an dem unsere Wurzeln liegen, das Land, in dem wir verwurzelt sind. Die Anbetung zeigt uns die Wurzeln unseres Daseins als eines Geschöpfes im Schöpfer. Die Wurzeln unseres christlichen Lebens liegen in Jesus Christus. In ihm sind wir verwurzelt (vgl. Kol 2, 7).

 

In der Anbetung vertiefen wir unsere Zugehörigkeit zu Gott, vergewissern uns unserer Wurzeln und festigen und vertiefen sie.

 

Heimat bedeutet vertraut sein. Wir kennen die Landschaft der Heimat, die Wege der Heimat, die Menschen und die Sprache der Heimat. Die Anbetung lässt uns vertrauter werden mit Gott. Wir vernehmen seine Sprache, wir hören sein Wort, wir sprechen mit ihm in der Sprache des Herzens. In der Anbetung sehen wir die Landschaft und die Menschen in ihr aus der Sicht Gottes und im Licht Gottes. Anbetend überdenken wir seine und unsere Wege.

 

In der Heimat sind wir nicht fremd. Oft scheinen wir mit unseren Ansichten und unserem Lebensstil Fremdlinge in unserer Welt zu sein. Man versteht uns nicht recht und geht auf Distanz. Andererseits halten auch wir zu manchem in unserer Welt Distanz. In der Anbetung dürfen wir erfahren, dass wir bei Gott nicht Fremde sind. Bei ihm sind wir daheim. Wir bergen uns in seinem Geheimnis.

 

Heimat bietet einen Lebensraum, in dem wir uns entfalten können. Die Anbetung lässt uns erfahren: Gott ist ein Freund des Lebens. In seinem Lebensraum können wir uns entfalten mit allen Gaben und Anlagen, die er uns geschenkt hat. Und selbst unsere Grenzen erscheinen in der Anbetung Gottes in einem anderen Licht. Vor Gott können wir uns aussöhnen mit unserer Begrenztheit und mit unserem Schatten.

 

Es tut gut, Heimat zu erfahren. Es tut gut, anbetend vor Gott zu weilen. Die Anbetung bringt die Wahrheit unseres Daseins zum Ausdruck: Wir sind von Gott erschaffen und erlöst. Wir sind für ihn bestimmt, "zum Lob seiner Herrlichkeit" (Eph 1,14).

 

In der Anbetung können wir Heimat erfahren (Anselm Grün).

 

Text: Bischof emeritus Reinhard Lettmann (+)
(aus dem Buch: Reinhard Lettmann: Am Rande des Geheimnisses
- Der Mensch und seine Gotteserfahrung.
Verlag Butzon&Bercker, Kevelaer 1996)
Foto: Norbert Göckener, Kampanile